Wahrnehmung – Perzeption

Liebe Eglisauerinnen und Eglisauer

«Die Wahrnehmung (auch Perzeption genannt) eines Menschen geschieht durch unbewusstes - und manchmal bewusstes - Filtern und Zusammenführen von Teil-Informationen zu subjektiv sinn­vollen Gesamteindrücken.»

Was sich in Wikipedia noch wie ein Auszug aus einer Dissertation liest, ist salopp gesagt nichts anderes als der Eindruck, der aus vielen Elementen entstehen kann. Der Eindruck über ein Bild, über Menschen generell, über Politiker, aber insbesondere auch über Behörden und Vertreterinnen und Vertreter einer Exekutive.

Weiter erfahren wir in der digitalen Enzyklopädie folgendes:

«Inhalte und Qualitäten einer Wahrnehmung können manchmal durch gezielte Steuerung der Aufmerksamkeit und durch Wahrnehmungsstrategien verändert werden.» 

Aha – das ist es also, was unsere Wahrnehmung prägt. Eine Wahrnehmung bildet also nicht eine Tatsache ab, sondern malt ein Bild, welches wir uns etwa aufgrund unserer Erfahrungen, politischen Einstellungen, Persönlichkeit und Wissensstand machen. 

Weshalb thematisiere ich gerade jetzt das Wort Wahrnehmung? Weil ich letzthin intensiv damit konfrontiert wurde und mich das Ereignis noch heute sehr beschäftigt.

Anfangs April durften wir die Vertreterinnen und Vertreter des Bezirkrats zu ihrer regelmässigen Visitation bei uns im Gemeindehaus begrüssen. Die Gemeinde Eglisau wurde – wie auch schon 2022, bei der ersten Visitation in der laufenden Legislatur, – mit Bestnoten gewürdigt. Unsere Gemeinde macht einen grossartigen Job in den Diensten der Bevölkerung. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an all meine Kolleginnen und Kollegen und alle Menschen, die sich im Hintergrund für Sie einsetzen.

Wo Licht ist, ist allerdings immer auch Schatten. Denn scheinbar klafft die Wahrnehmung der bezirksrätlichen Kommission, weit von der Wahrnehmung eines Teils der Bevölkerung Eglisaus auseinander. Wir konnten bisher manche Eglisauerinnen und Eglisauer nicht davon überzeugen, dass wir unsere Arbeit gut machen. Vor allem in Anbetracht der enormen Herausforderungen, welche unsere Gemeinde zu stemmen hat; den Neubau des Sekundarschulhauses, die Sanierung der Ortsdurchfahrt, die Unterbringung von Geflüchteten, den Ausbau der Kläranlage und Vieles mehr. 

Ob den vielen Aufgaben haben wir es aber scheinbar unterlassen oder verpasst überzeugend aufzuzeigen, wie gut wir alle das alles eigentlich machen. Vielleicht ist dies auch unserer Bescheidenheit geschuldet. Jedenfalls zeigt sich ein Trend, sich in den sozialen Netzwerken Luft zu verschaffen. 

Vielleicht täuscht mich hier wiederum meine Wahrnehmung, da nur ein kleiner Teil der Eglisauerinnen und Eglisauer sich auf Social Media äussert, während die grosse Mehrheit schweigt. Auf Social Media scheint es mittlerweile zum «guten Ton» unserer Zeit zu gehören, Erbitterung breit zu treten. Schnell, oft zu schnell, findet Unbehagen so den Weg in die Öffentlichkeit; vielleicht unüberlegt, aber mit Sicherheit nicht im Sinne einer guten Stimmung, eines respektvollen Miteinanders oder einer konstruktiven Lösung. Oder haben Sie jemals erlebt, dass nach einem wütenden Post sich etwas geändert hat? 

Die Aufgabe des Gemeinderats ist es, mit Unterstützung der Verwaltung Lösungen zu finden. Der Gemeinderat hat darum stets ein Ohr für konstruktive Kritik. Unsere Tür steht Ihnen jederzeit für eine Lösungsfindung offen. Sie finden auch in jedem Mitteilungsblatt den Hinweis, wie Sie mich und meine Kolleginnen und Kollegen kontaktieren können. 

Allerdings, wir können Vieles, aber leider nicht zaubern. Auch der Gemeinderat ist an gesetzliche Vorschriften, Auflagen und Prozesse gebunden und hat einen beschränkten Handlungsspielraum. Oft wünschte ich mir, ich könnte unangenehme Situationen einfach im Interesse der Bevölkerung wegzaubern. Und glauben sie mir und dem ganzen Gemeinderat; würden wir über solche Kräfte verfügen, würden wir nicht unsere Partikularinteressen damit begünstigen, sondern die von ganz Eglisau.

Bis es mit der Zauberei soweit ist, versuchen wir mit natürlichen Kräften kleine Wunder zu vollbringen. Und die passieren tatsächlich auch ab und an – allerdings hat es mit den natürlichen Wundern so auf sich, dass diese kaum jemand mitbekommt, wenn nicht wer mit grossem Brimborium den Zauberstab von Harry Potter schwingt. 

Vermutlich aber bleiben wir wirklich lieber bescheiden und verzichten auf Blumen und Auszeichnungen. Denn das Bewusstsein, die eigene Wahrnehmung darüber, wirklich im Sinne des Volkes zu handeln, weder politisches Kalkül noch Absprachen oder gar Eigennutz in den Vordergrund zu stellen, ist der stille Applaus, an dem wir uns erfreuen dürfen.

Roland Ruckstuhl
Gemeindepräsident